Unschooling – von Kindern, die ohne Schule aufwachsen

Heute schreibe ich mal zu einem Thema, was mich in den letzten Jahren sehr beschäftigt hat und seitdem auch nicht mehr loslässt. Die folgenden Personen und deren Werke sind für mich ganz fundamental geworden und ich bin sehr dankbar, dass es sie gibt und ich von ihnen erfahren durfte. Die Verweise und Links dazu sind absolut persönliche Empfehlungen und haben keinerlei kommerziellen oder sonstigen Hintergrund.

In Deutschland gehen Schätzungen zufolge etwa 1000 Kinder nicht in die Schule. Die sogenannten Freilerner ziehen es vor, sich ohne Bindung an eine Institution nach ihren eigenen Vorstellungen, selbst bestimmt, zu bilden. Hierzulande haben sie es jedoch schwer. Im Gegensatz zu unseren Nachbarländern, in denen Bildungspflicht gesetzlich vorgeschrieben ist, herrscht hier Schulzwang. Wer sich dem widersetzt, hat mitunter schwere Konsequenzen zu tragen. Deshalb wandern viele dieser Familien aus – oder tauchen gänzlich ab, denn freies Lernen ist in Deutschland illegal.

Was ist Freilernen

Freilernen ist der Ausdruck für ein unter der breiten Schicht noch wenig bekanntes Phänomen, was aber nicht zu verwechseln mit „Homeschooling“ ist! Bei dieser Variante als Alternative zur Schule werden die Kinder zu Hause von den Eltern, Freunden, Bekannten oder Verwandten mit pädagogischen oder wissenschaftlichen Hintergrund unterrichtet. Sie erstellen sich eigene Stundenpläne und erarbeiten die Inhalte individuell. Homeschooling ist in vielen europäischen Staaten anerkannt und erlaubt (http://www.hausunterricht.org/html/hs_international.html). Das Freilernen aber ist ein komplett ungezwungenes, natürliches und selbst bestimmtes Lernen. Man nennt es auch Unschooling, seltener Deschooling. Es erfolgt individuell nach den ganz persönlichen Interessen und Bedürfnissen des Menschen. Kein Lehrer, keine Bildungseinrichtung, kein Stundenplan oder irgendjemand schreibt hier vor, was zu welchem Zeitpunkt wie gelernt werden muss. Freilerner erlangen ihre Erfahrung, ihr Wissen, ihre Kompetenz sozusagen in der Schule des Lebens, indem sie ihren Leidenschaften nachgehen und diese vertiefen, sich mit anderen Menschen und Lebewesen vernetzen und dadurch immer wieder neue Eindrücke und Kenntnisse gewinnen.

Freies Lernen in der Praxis – Menschen im Portrait

Bestimmt bist du noch keinem Freilerner-Kind begegnet, doch es gibt sie wirklich. Sie sind die ganz wenigen Ausnahmen und einige von ihnen sind offiziell sogar im Ausland gemeldet, damit ihnen das hier überhaupt möglich ist. Diese Kinder und ihre Familien entschließen sich aus ganz unterschiedlichen Gründen für diese Form der Bildung. Neben religiösen Motiven sind es u.a. schlechte Erfahrungen mit der Schule. Auch Kinder Reisender oder aus sehr künstlerisch geprägten Familien bevorzugen diese Alternative. Für den Großteil jedoch sind es einfach der Respekt vor dem Leben eines jeden Individuums und seinen ganz persönlichen Vorstellungen über das, was den eigenen Werdegang bestimmen soll. Die Schule schränkt diese Menschen ein und kann ihnen niemals helfen, ihr volles Potential zu entfalten. André Stern ist so aufgewachsen. Die Eltern keine Abbildung vorhandendes 1971 geborenen Parisers entschieden sich ganz bewusst dafür, ihn und seine Schwester nicht beschulen zu lassen. Er selbst ist heute Musiker, Komponist, Gitarrenbaumeister, Journalist und Autor. Als Freibildungsexperte ist er ein gefragter Referent auf der ganzen Welt. Neben unzähligen weiteren Aktivitäten schrieb er das Buch „…und ich war nie in der Schule!“ was ein Bestseller wurde. Es beschreibt diesen Weg sehr eindrücklich und umfangreich an seinem eigenen Beispiel. Im Anhang des Buches kommen zudem seine Eltern zu Wort und beantworten die ihnen oft gestellten Fragen, z.B. nach der sozialen Kompetenz oder dem Eintritt ins Berufsleben, denen man auch sonst als Freilerner immer wieder begegnet. Einen kleinen Einblick in sein Leben kann man aber auch hier erhalten: https://www.youtube.com/watch?v=Kgn9LWQqkj0&feature=youtu.be Weiterhin ist der Sohn der Regisseurin Clara Bellar  so ein Kind. Seineposter_de Mutter drehte den Film Being and Becoming, der sich mit diesem Thema beschäftigt und weltweit zu sehen ist. In ihm werden Familien portraitiert und begleitet, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken und auf eindrucksvolle Weise ihren eigenen Weg gesucht und gefunden haben. Interessant ist hier v.a. zu sehen, wie diese Kinder wirklich aufwachsen, womit sie sich beschäftigen und warum es in jedem Fall gelingt. Hochinteressant sind ebenso die vielen Informationen des Philosophen und Kinderrechtlers Bertrand Stern. Sein Buch Schluß mit Schule! beschreibt seine jahrzehntelange Erfahrung und liefert essentielle Informationen zu diesem Gebiet.

Unschooling weltweit

In vielen europäischen und sonstigen Ländern ist es möglich und normal, Kinder nicht in die Schule zu schicken und selbstverantwortlich den eigenen Bildungsweg zu beschreiten. Darüber hinaus erreichen viele solcher Kinder hohe Schulabschlüsse und sind bei Elite-Universitäten wie Harvard in den USA aufgrund ihrer hohen Kompetenzen sehr gefragt. Allgemeine Studien zum Thema Freilernen findet man z.B. auf dem Informationszentrum Leben ohne Schule. Ein Ergebnis solcher Studien ist u.a. auch, dass 98% aller Menschen als hochbegabt zur Welt kommen. Nach der Schule sind des nur noch zwei Prozent. Laut dem Magazin Bildungsfreiheit Bayern erhält „in Kanada jede Familie, die sich selbst um die Bildung ihres Kindes kümmert und es nicht zur Schule schickt, monatlich eine beachtliche finanzielle Unterstützung vom Staat„.

Rechtliche Situation in Deutschland

Der Schulzwang, wie wir ihn heute haben, wurde 1938 von den Nationalsozialisten eingeführt. Seitdem ist es möglich, Kinder mit polizeilicher Gewalt der Schule zuzuführen. In Artikel 7 Absatz 1 des Grundgesetzes der BRD steht: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Quellen werden im Text genannt und verlinkt. Weitere Informationen unter: Freilerner Solidargemeinschaft e.V. Bundesverband Natürlich Lernen! e.V.


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